Dienstag, 9. Juni 2020

Tag der Forts 2020 - Einfälle statt Ausfälle



Am 7.6.2020 fand der 17. Tag der Forts statt. 

„Waaaas wollt Ihr machen?“ war meine erste Reaktion, als ich erstmal im April 2020 hörte, dass Anfang Juni Live-Führungen hinter meterdicken Festungswänden gestreamt werden sollten. Es sollten dazu noch Drohnenaufnahmen von Anlagen gemacht werden, die  unter Denkmalschutz stehen und teilweise in Flugverbotszonen liegen. 

Für sowas stellen SWR oder WDR millionenteure Ü-Wagen-Technik ab und wenden zig Personenjahre für die Produktionsplanung inkl. Genehmigungsmanagement auf. 

Diese Idee war verrückt, vermessen und chancenlos. 
Ich war sofort Feuer und Flamme.






Immerhin war ich in 2019 selber erstmals als Besucher dabei. Analog zum Tag des offenen Denkmals haben am Tag der Forts Interessierte die Möglichkeit, diese kostenlos im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Die Festungsanlagen werden damit ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt und Geschichte erlebbar gemacht. Im Vordergrund stehen Architektur und Stadtgeschichte, weniger das Militär und Waffen. Der von Preußen betriebene Ausbau des Kölner Festungsrings im 19. Jahrhundert war in seiner Epoche immerhin das flächen- und materialmäßig größte Bauprojekt Kölns - noch vor dem Kölner Dom. 

Doch #covid19 ließ wieder alles anders werden. Versammlungsverbote und Hygienevorschriften drohten diesen Tag wie schon viele Hochzeiten, Messen oder meine für Ende März gebuchte Kreuzfahrt von Singapur nach Dubai platzen zu lassen.

Jedoch sind dann halt die Planer des Tages beim Zoom-Brainstorming auf die am Anfang erwähnten „Schnapsideen“ gekommen. 

So machte Corona-2020 fast alles neu:

Präsenz

Kleine Besuchergruppen wurden in exklusiven Führungen an dem Tag selber durch ausgewählte Anlagen geführt. Natürlich unter Beachtung aller Versammlungs- und Hygieneauflagen.

Prominenz

Erstmals wurde die Veranstaltung durch die Schirmherrin, Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, persönlich eröffnet. Sie stand dabei in Tradition eines anderen Oberbürgermeisters. Der Erhalt der heutigen Anlagen ist dem späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer zu verdanken. Er konnte nach dem Ende des ersten Weltkrieges den von Teilen der Siegermächte geforderten Komplettabriss aller militärisch genutzten Anlagen durch Verhandlungsgeschick und rheinischen Pragmatismus („Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“) abwenden. 

Oberbürgermeisterin Henriette Reker und CRIFA-Vorsitzender Robert Schwienbacher vor dem Kölner Festungsmuseum. Foto: Georg Ruppert



Content-Creation

In vorproduzierten Clips gab es bislang so nie genehmigsfähige Luftaufnahmen per Drohne. Das war dann mein Job als Kopterpilot. Es wurden spannende Interviews vor Ort mit dem Stadtkonservator und heutigen Nutzer*innen der Anlagen geführt (Bands, Karnevalsvereine, Geschichtsvereine, etc.). Bloggerin Laura Virginia Huber zeigte das aus dem sonst nicht zugänglichen Fort IX in Köln-Westhoven. Teilweise nie im Rahmen von Führungen besuchbare Teile der Anlagen waren zu sehen. 





Vertonung und Lagerung der Backups erfolgten in einem Atombunker, der im Kalten Krieg beim Kölner U-Bahnbau heimlich miterrichtet wurde. Sicherer ist sicherer.

Showtime

Diese Vor-Ort-Events und die Premieren der Clips wurden über 8 Stunden hinweg live auf http://www.tag-der-forts.de ins Internet gestreamt. Dafür wurde im gemeinsamen Showroom von Plusnet GmbH (ein Unternehmen der EnBW AG) und QSC AG ein Studio eingerichtet. Mein zweiter Part im Projekt. Die Marketing-Leiter von QSC und Plusnet gaben nach meinem Briefing zu den Plänen schnell grünes Licht für rotes Aufnahmelicht.



Von diesem Studio aus wurden dann die eingespielten Beiträge aus Köln, Polen und Russland mit Live-Moderation durch den Vorsitzenden des Kölner Festungsmuseums verbunden. Der große Raum war perfekt für ausreichende Distanz des Studioteams.

Die mehrfach georedundant geführte Netzanbindung in der Firmenzentrale eines der führenden Telekommunikationsunternehmens für Geschäftskunden in Deutschland sorgte für einen sicheren Stream ins Netz. Gigabit-Leitung für das Streaming? Klar. Wieviele denn? Die Kollegen von Haustechnik und Onsite-Support waren super hilfsbereit.

Wir hatten zwar nicht die coole Studiohardware der EnBW-Konzernzentrale, aber deren erfahrene Medientechnik-Kollegen gaben u.a. wertvolle Tipps zum Umschiffen von Klippen wie unterschiedlichen Bildwiederholungsraten im Videomaterial.

Auch Medienkoryphäe, ehemaliger WDR-Redakteur und Produzent erfolgreicher TV-Shows Michael Peter Schmidt (IMDB-Profil) stand uns mit wertvollem Rat zur Seite. Auch wenn davon wir vieles mangels Zeit oder Budget diesmal nicht umsetzen konnten, haben wir für eine "think bigger"-Ausgabe im Hinterkopf.





Statt Technik aus der Ferne zu holen, konnten wir einen Streaming-Cube vom Chaos Computer Club Cologne im Nachbar-Stadtteil Ehrenfeld ausleihen (leicht auf dem Bild zu identifizieren). Ein inoffizielles Dankeschön dafür, dass QSC ihnen am Anfang der 2000er Jahre ihre Clubräume mit damals topaktuellen 2,3 MBit-SDSL kostenfrei angebunden hatte. Gutes Networking verbindet halt nicht nur Router sondern auch Menschen.
 



Die Quote - Qualität und Quantität


Am vergangenen Sonntag schauten die Zuschauer in der Summe 13.800 Minuten lang dem Stream zu. Eine ganz schöne Menge mit Bildung verbrachter Lebenszeit, nicht wahr? In Zeiten von 5G-Gedankenkontroll-Impfgegnern glaubt man sowas gar nicht mehr. Das war für die Premiere dieses Formats schon klasse. Viel wichtiger und wertvoller ist jedoch der Content, der nun vorliegt. Als digitaler Schatz steht er Forschung und Bildung zur Verfügung. 

Ohne Corona, Plusnet und viele ehrenamtliche #macher hätte es das so nie gegeben. Es war toll, in dem Team rund um den Vorsitzenden des Kölner Festungsforschungsinstituts CRIFA, Robert Schwienbacher, mitarbeiten zu dürfen.

Und dann ist da noch der Kölsche Klüngel das Networking. Wenn ich mit meiner Familie - der Herrgott bewahre - mal Zugang zu einem Atombunker mit Kapazitäten für bis zu 2.366 Menschen brauchen sollten, habe ich jetzt gute Verbindungen zu den Betreibern: http://welt.unter.koeln 



 

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen