Donnerstag, 24. Juli 2025

Ein Verdacht, der hängen bleibt

Ein Verdacht, der hängen bleibt

Wie die AfD vor Gericht verlor – und warum das kein Skandal ist, sondern ein Warnsignal




Neulich beim Frühstück. Neben Kaffee, Kinderchaos und Nachrichten lese ich: Die AfD darf weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet und öffentlich als „Verdachtsfall“ benannt werden. Ich kaue. Auf meinem Brot liegt Käse. Auf dem Bildschirm liegt die Demokratie. Dick belegt mit Urteil, 83 Seiten stark, serviert vom Bundesverwaltungsgericht. Guten Appetit.

Die AfD hatte geklagt. Gegen den bösen Staat, der sie – so ihre Erzählung – politisch bekämpft, mundtot machen will, der mit „Geheimdiensten“ auf sie zielt. Klar. Wenn der Spiegel zu hässlich wird, dann ist er bestimmt staatlich verzerrt. Oder woke. Oder beides.

Aber was war wirklich los?

Das BVerwG hat am 20. Mai 2025 entschieden:

  • Ja, das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die AfD als „Verdachtsfall“ einstufen.
  • Ja, es darf das auch öffentlich sagen.
  • Nein, das verletzt weder Meinungsfreiheit noch das „Parteienprivileg“.

Und das Wichtigste: Die Begründung ist kein politischer Schnellschuss, sondern ein juristisches Filetstück. Mit Betonung auf Substanz.

Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtschein

Das Gericht sagt: Nicht jede rassistische, demokratiefeindliche oder verächtlich machende Äußerung ist strafbar – aber sie kann ein Zeichen sein. Und wenn sich solche Zeichen häufen, systematisch und aus der Mitte der Partei kommen, dann entsteht ein Bild. Kein hübsches. Sondern eines, das Grundrechte angreift – etwa die Menschenwürde, den Gleichheitsgrundsatz oder die Religionsfreiheit.

Die Richterinnen und Richter haben sich die Mühe gemacht, diese Äußerungen im Kontext zu betrachten. Nicht abstrakt, nicht hysterisch. Sondern konkret und politisch eingeordnet. Es geht nicht um verbotene Gedanken, sondern um erkennbare politische Zielrichtungen.

Das ist, mit Verlaub, ziemlich guter Rechtsstaat.

Ein ethnisch-kultureller Volksbegriff?

Das Gericht zitiert unter anderem AfD-Vertreter, die vom „Wahlrecht nach Abstammung“ sprechen, die „Passdeutsche“ abwerten, Muslime pauschal als Gefahr sehen. Es geht nicht um Einzelfälle. Sondern um ein Muster. Und das Muster trägt Blau.

Die Partei hat sich von diesen Aussagen nie klar distanziert. Im Gegenteil. Sie badet darin, suhlt sich im Opfermythos und verkauft jeden juristischen Rückschlag als Beweis ihrer Relevanz. Das nennt man in der Werbung: Reverse Branding.

US-Wa(h)lbeobachter Perspektive über den Florida Keys


Und wie sähe das in den USA aus?

Die Republikaner (die klassischen, nicht die MAGA-Fraktion) würden vermutlich hyperventilieren: „Geheimdienst gegen Opposition!“

Ein Bernie Sanders dagegen würde sagen:

You cannot let fascism grow under the umbrella of freedom. That’s not democracy. That’s suicide.

Und ehrlich? Ich bin bei Bernie. Auch wenn ich Käse mag.

Warum duschen wir ( Warumduscher) eigentlich?

Weil wir uns nicht alles einseifen lassen wollen. Weil Demokratie kein Spa ist. Weil der Kampf um Menschenwürde, Gleichheit und Rechtsstaat täglich stattfindet. Nicht nur in Karlsruhe, Leipzig oder Köln. Sondern in Kommentarspalten, Klassenzimmern, Kantinen und Kommunalwahlkampfständen (also bald auch mit André Burghardt und mir vor dem Edeka in Köln-Sürth).

Und wenn eine Partei sich systematisch gegen die Werte stellt, die uns tragen, dann darf der Staat nicht schweigen. Beobachtung ist kein Verbot. Aber ein Signal.

Ein Signal, dass wir wachsam bleiben. Und das sollten wir.

Fort IV in Köln Bocklemünd


Fazit (für alle, die wieder nur runtergescrollt haben):

  • Die AfD hat vorm Bundesverwaltungsgericht verloren.
  • Der Verfassungsschutz darf sie als Verdachtsfall einstufen und benennen.
  • Meinungsfreiheit endet dort, wo Menschenwürde, Gleichheit und demokratische Grundprinzipien aktiv untergraben werden.
  • Das Urteil ist kein Skandal – es ist ein Schutzmechanismus. Und ein Spiegel.
  • Wer da reinschaut, sollte sich fragen: Erkenne ich die Partei noch? Oder schon das, wovor sie angeblich warnt?

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